
Wir schauen uns zum Anfang mal die Entladekurve einer NCR1860 an, dort auch mal die verschiedenen Kurven bei verschiedenen Belastungen ansehen:
http://www.dampfakkus.de/akkutest.php?id=498
Wir erkennen einen nichtlinearen Spannungsverlauf, am Anfang bricht die Spannung ganz schnell ein von 4.2 auf ca. 4.0V, geht dann leicht wellig in den Keller bis "leer". Die Spannung bricht bei höherer Belastung mehr zusammen als bei kleineren Strömen (liegt am Innenwiderstand der Zellen). Der Vergleich mit der Samsungzelle zeigt, dass die sich etwas anders gegen Ende der Kapazität verhält.
Leider zeigt die x-Achse nur die Anzahl der Samples an und nicht die entnommene Kapazität, das läßt sich aber umrechnen.
Was nicht angezeigt wird, leider:
Bei unterschiedlichen Temperaturen verändert sich der Innenwiderstand der Zelle, bei Kälte ist er höher. Highlight: die Zellen fahren sich im Winter warm, dadurch reduziert sich wieder der Innenwiderstand und der Roller wird nach einigen Kilometern "spritziger", die Spannung steigt trotz entnommener Kapazität.
Wir sehen nicht, auf auf welchen Wert sich die Zellspannung einpendelt, wenn die Last wegfällt.
Schlußfolgerungen:
Spannungsmessungen sind nur bedingt geeignet, um den Füllstand einer Zelle zu ermitteln. Der Hersteller einer %-Anzeige müßte diverse Kennlinien bei verschiedenen Belastungen und Temperaturen hinterlegen, um jederzeit eine hlabwegs genaue Prozentausgabe leisten zu können. So genau wird er es aber nicht hinbekommen, so dass mit Schätzungen und wahrscheinlich Strommessungen gearbeitet wird und eine sich selbst anlernende Kennlinie hergenommen wird.
Ausflug zum Laptop:
Wer kann, klickt auf seinem Laptop mal auf die Akkueigenschaften. Neben der aktuellen Kapazität wird oftmals auch angezeigt, wie "gut" im Vergleich zum Neuzustand der Akku noch ist. Beispiel: Ladezustand 80%, Kapazität 93% (also Gesundheitszustand). Der Akku bietet also noch 93% der Kapazität gegenüber einem neuen Akku, wenn er vollgeladen ist. Aktuell ist er zu 80% geladen. Durch Multiplikation erfahren wir, dass er in diesem Zustand ungefähr einen neuwertigem Akku mit ca. 74% Ladestand enspricht.
Der Gesundheitszustand wird fortgeschrieben, manchmal jedoch nach vielen Teilladezyklen fehlerhaft. Google findet unter dem Stichwort Akkukalibrierung ein paar Hinweise, die darauf hinauslaufen, den Akku komplett leer zu fahren (bah, das widerstrebt mir, geht aber ausnahmsweise nicht anders) und dann ungestört (keine wechselnde Last durch Bildschirm ein/aus oder stromfressende Programme) wieder auf 100% aufzuladen. Danach ist der Akku neu kalibriert und zeigt ggf. auch einen neuen "Gesundheitszustand" an. Das ganze passiert mit ein paar wenigen Chips und Bauteilen im Akku, die über den I2C-Bus mit dem Mainboard kommunizieren.
Nachtrag 14.9.19: In einem FAQ der Firma Niu habe ich gelesen, dass man tatsächlich den Akku auf diese Art kalibrieren kann - leerfahren und laden. Ich würde das aber nicht zu häufig machen!
Wonach richtet sich der Gesundheitszustand?
Antwort: nach der schlechtesten Zelle. Die Zelle, die zuerst die Schwelle zu einer Unterspannung berührt, ist verantwortlich für den angezeigten Ladezustand 0%, selbst wenn andere seriell geschaltete Zellen noch 20% Restkapazität haben.
Was heißt das, wenn ich Gesamtspannung eines Akkus messe?
Wir haben zwei Laptopakkus, die beide 11.1V gemessen anzeigen. Ich kann aber nicht davon ausgehen, dass beide Akkus den gleichen Ladezustand haben. Akku a) könnte 2 Zellen mit 4V und eine mit 3.1V (also leer) haben, Akku b) 3 Zellen mit je 3.7V. Akku a) ist platt, weil eine der Zellen weitgehend entladen ist, Akku b) krebst so bei rund 50% Ladezustand herum.
Ich habe ein Leuchtband am Akku, dass mir den Ladezustand anzeigt, was bedeutet das?
Das ist i.d.R. ein Schätzeisen, dass die Gesamspannung des Akkus anzeigt. Aussagekraft siehe vorherigen Punkt.
Wie läuft ein Ladevorgang ab?
Hätten wir nur eine Zelle, dann hätten wir eine reine CC-CV-Ladung. Wir laden zuerst mit konstanter Stromstärke, erreichen wir 4,1V (oder was auch immer der Hersteller für geeignet hält), dann halten wir die Spannung und laden mit dann einer sich reduzierenden Stromstärke weiter. Die Feinheiten, dass das Ladegerät bei der Zelle einen Gegenstand mit ansteigendem Widerstand sieht, lasse ich außen vor. Aber auch hier gilt, dass der Widerstand Temperaturabhängig ist und daher Ladephasen bei CV bei niedrigeren Temperaturen länger dauern können als im Sommer.
Haben wir mehrere Zellen seriell, dann schalten wir bei der ersten Zelle, die 4.1V erreicht, einen Widerstand parallel, der dafür sorgt, dass der Ladestrom in Wärme umgesetzt wird und nicht in die Akkuchemie gepumpt wird. Idealerweise wird zeitgleich automatisch der Ladestrom auf einen Wert reduziert, den der Lastwiderstand problemlos verbrennen kann. Nach und nach erreichen alle Zellen 4.1V, der Ladevorgang wird dann beendet. In dieser Phase wird teilweise mit sehr kleinen Strömen gearbeitet.
Am Ladegerät haben wir üblicherweise ein paar LEDs. Üblich ist rot für CC, einige schalten schon bei CV auf grün, andere erst, wenn der Ladestrom unter einen gewissen Wert fällt, oder eben nur noch balanciert wird, andere schalten erst dann auf grün, wenn das BMS den Akku vom Ladegerät trennt.
Mangels sinnvoller Beschreibung des Ladegerätes eruieren wir mittels eines billigen Stromverbrauchmessgerätes, was passiert und was uns die LED-Farbe sagen will.
Das war die Serielle Schaltung, was passiert bei parallel geschalteten Zellen?
Wir betrachten zunächst Zellen und keinen kompletten Akkublock. Der Ladestrom teilt sich auf die parallelen Zellen auf. In der Theorie gleichmäßig. In der Praxis haben die Zellen aber leichte Unterschiede bei der Kapazität, beim Innenwiderstand, so dass die Ladeströme leicht unterschiedlich sind. Ist eine Zelle nahezu voll, nimmt sie keinen Strom mehr an, der wandert dafür in die benachbarte Zelle. Am Ende, wenn der Ladestrom bei nnahe 0 liegt, wären alle Zellen auf der gleichen Spannung, wenn man die Zellverbinder auftrennen würde.
Wenn eine der parallel geschalteten Zellen an Kapazität nachläßt, passiert dann was?
Wenn eine von 10 parallelen Zellen ihre Kapazität verliert, dann erhöht sich der Innenwiderstand (hoffentlich, bei einem internen Kurzschluß entlädt sie ihre Nachbarzellen). In der Folge werden beim Entladen die anderen 9 Zellen mehr belastet, beim Laden aber auch mit höherer Stromstärke versorgt. Ist die eine Zelle defekt, dann hat dieser Zellenverbund 10% seiner Kapazität verloren. Ebenso ist der Gesamtinnenwiderstand aller Zellen angestiegen.
Nach außen hin (elektrisch gesehen) verhalten sich 10 parallele Zellen wie eine große Zelle. Und diese große Zelle verhält sich im seriellen Verbund wie der oben als Beispiel hergenommene Laptop-Akku.
Wenn ich jetzt eine 17s12p-Verschaltung habe, bedeutet das was?
Eine defekte Zelle von 204 Zellen reißt den Akku um 10% herunter. Also rein technisch gesehen. Für einen billigen Akku mit blödem BMS trifft das auch zu. Wir bemerken das Problem bei der nächsten längeren Fahrt.
Wir hoffen aber auf einen intelligenten Hersteller, der einen neuwertigen Akku bereits bei mehr als 20% Restkapazität als leer bezeichnet und in die Zwangsabschaltung geht. Ist eine Zelle defekt, dann ist das messtechnisch (anderer Spannungsabfall, höherer Strom pro Einzellzelle) feststelbar, und das BMS passt die Kennlinie des Akkupacks entsprechend an, d.h. künftig wird der Akku mit einer Restkapaziität von 10-15% als leer bezeichnet. Damit fällt eine defekte Zelle nicht auf, und ein paar andere in anderen Parallelverschaltungen auch nicht. Das gibt dem Kunden das Gefühl, er hätte einen langlebigen Akku, und es reduziert die Gewährleistungsrückläufer. Der Akku ist dann zwar nicht mehr ganz so schön vom Innenwiderstand her, was sich in reduzierter Endgeschwindigkeit auswirkt aber prinzipiell tut er es noch so wie er soll.
Es ist prinzipiell das gleiche Verfahren wie bei SSDs: einfach ein paar Reserverblöcke auf den Chip bringen, die dann aktiviert werden, wenn andere Speicherblöcke ihren baldigen Tot ankündigen.
Und jetzt habe ich zwei Akkublöcke mit je eigenem BMS. Was passiert beim Entladen?
Die Ströme teilen sich beim Entladen auf, im Idealfall 50:50. Hat einer der Akkus schon eine defekte Zelle, dann z.B. 55:45. Aber auch nach ein paar Kilometern Fahrt haben wir ungefähr noch die selben Ausgangsspannungen im Leerauf. Das gleicht sich einigermaßen an.
Was passiert beim Laden?
Der Ladestrom teilt sich auf, zumindest anfangs 50:50. Irgendwann verschiebt sich der Wert, wenn der erste Block nahe seines endgültigen Füllstandes ist. Er nimmt dann weniger Strom an. In der CV-Phase wird es noch spannender, und wenn so am Ende das Balancieren losgeht ...
Wir wollen an dieser Stelle davon ausgehen, dass eines der BMS-Systeme dem Ladegerät mitteilt, dass jetzt das Balancieren losgeht. Das Ladegerät sollte die Gesamtstromstärke so reduzieren, dass der bereits balancierende Akkublock maximal den von den Balancern verbrennbaren Strom bekommt, und der andere Akkublock weiter versorgt wird mit dem, was jetzt noch problemlos anlieferbar ist. Jedes BMS muss für sich die Stromstärke erfassenn und dem Ladegerät mitteilen können, dass der Ladestrom zu hoch ist. Es kann durchaus passieren, dass recht lange mit kleinen Strömen geladen werden muss, bis beide Blöcke gleich voll sind.
Wie sind dann eigentlich angezeigte Unterschiede von mehr als 10% zwischen 2 Blöcken erklärbar?
Schönste Lösung: die SW spinnt und die Kennlinien sind durcheinander. Abhilfe durch Kalibrieren (edit 14.9.19: siehe oben) oder hoffen, dass sich bei den nächsten Ladevorgängen die Kennlinien wieder "erholen".
Zweitschönste Lösung: eine Zelle in einem Akkublock ist weggestorben. Das stört die Kennliniie, die sich erst wieder "erholen" muss.
gg
Ich glaube, ein Akku lädt den anderen. Ist das denkbar?
Das hängt von ab - da kenne ich den Niu noch nicht, daher reine Theorie und nicht unbedingt die Niu-Realität!
Bei vielen (eigentlich alle gängigen) BMS-Lösungen Ladeeingang und Akkuausgang getrennt, so dass keine Ausgleichsladung stattfinden kann. Die Elektronik gibt das nicht her. Wären Lade- und Entladekontakte zusammen aufgeschaltet (einfaches BMS, unsere ersten Ansätze vor 10 Jahren im Forum) und die Akkus nicht weiter elektronisch separiert, dann könnte sowas in der Theorie stattfinden. Dazu muss aber ein Potentialunterschied, d.h. unterschiedliche Spannungen bei den Akkublöcken vorhanden sein, damit überhaupt Ausgleichsströme fließen können.
Wie wir eben festgestellt haben, würde selbst bei einer weggestorbenen Zelle kein Ausgleichsstrom fließen, weil die Leerlaufspannungen der parallel geschalteten Zellen gleich bleibt.Es wird kein Potentialunterschied erzeugt.Würden aber alle parallel geschalteten Zelle zeitgleich sterben, dann hätten wir einen Spannungsunterschied von bis zu 4V. Bei 17 Zellen seriell (falls der Niu soviel hätte) hätten wir dann anstatt ca. 68V nur 64V. Der Block mit noch 68V entlädt sich dann selbst bis auf 64V herunter.
Hätten wir ein blödes BMS, würde es meinen, hey alle meine 16 noch vorhandenen seriellen Zellen sind voll und daher habe ich 100%, das andere BMS würde dann irgendeinen Ladestand von 60-80% anzeigen (könnte man ausrechnen, wenn man in die Kennlinien guckt). Dann wäre es aber ein sehr blödes BMS (traue ich Niu nicht zu), und der nächste Ladevorgang würde erhebliiche Merkwürdigkeiten zeigen, z.B. Beginn des langsamen Ladens im Balancing-Modus bereits bei 64V.
Edit 14.09: laut FAQ von Niu wird bei mehr als 15% Unterschied nur der vollere Akku genutzt und der zweite "abgeschaltet". Also kein Ladungsausgleich zwischen zwei Akkus
Folgerung:
Ich würde die Auffälligkeiten am ehesten auf Softwareprobleme und Kalibrierungsprobleme der variablen Kennlinie schieben. Entweder Abwarten und Tee trinken, oder mal recht lange laden, oder eine Kalibrierung anstoßen, wenn das Verfahren dazu bekannt ist. Einzelne defekte Zellen könnten zwar aufgetreten sein, aber sollten keine Außennwirkungen haben.
FAQ:
F: Aber mein Roller ist jetzt auch weniger spritzig, könnte vielleicht doch ...?
A: Ich denke, der Temperatursturz draußen von über 30° auf 20° hat gravierende Auswirkungen als eine defekte Zelle. Gegenprobe: die Akkus abends mit in die warme Bude nehmen und im warmen Zustand morgens gleich damit losfahren. Gegenprobe 2: wenn der mit eingebauten Akkus laternengeparkte Roller morgens lahmer ist als abends, dann liegt es an den Temperaturen.
F: Aber wir kommen die unterschiedlichen Ladezustände über Nacht?
A: Software ist ein A-Loch. Der Hersteller hat vielleicht die Kennlinienverschiebung bei wechselnden Außentemperaturen, unterschiedlichen Belastungszuständen usw. nicht richtig einprogrammiert oder es wird bei solchen Änderungen ein SW-Bug angesprungen, dann verhaut es die Kennlinie.
F: Falls der Roller 17s10p hat, also rund 204 Zellen, wie ist die Chance eines Zelltodes?
A: Hoch. Aber die NCR halte ich für zuverlässig, weil ich da noch einige alte Dampferakkus habe, die nach Jahren bei wesentlich höheren Lasten immer noch gut funktionieren und nahezu volle Kapazität haben. Statistisch würde ich von vielleicht 1 - 2% wegsterbenden Zellen im ersten Jahr ausgehen, danach ist wahrscheinlich der Boden der Badewannenkurve der Ausfallwahrscheinlichkeit erreicht, aber wenn der Akkupack samt BMS sinnvoll aufgebaut ist, dann fällt das nicht ins Gewicht und ist wahrscheinlich nicht deutlich wahrnehmbar. Eher gehe ich davon aus, dass die Zellen überwiegend gleichschnell altern und irgendwann der Innenwiderstand so hoch wird, dass es keinen Fahrspaß mehr macht und die entnehmbare Kapazität deutlich geringer wird.
Nach den angelesenen Gerüchten haben wir 12 Zellen parallel, der Akku wird mit max. 35A belastet, macht gerade mal 3A oder ca. 1C pro Zelle, das ist wie Ponyhof. Der Hersteller erlaubt 10A, also gut das dreifache. Das heißt nicht, dass die bei 12A brennen würde, aber alles über 10A würde die Lebensdauer deutlich verkürzen. Und wir gehen mit mickrigen 3A unter Volllast daran.
F: Woher weißt Du das alle?
A: einiges sind Basics, anderes im Forum mit den alten Hasen gelernt, einiges ist geraten und anderes reflektiert, wie ich ein BMS samt zugehöriger Ladetechnik heutzutage konzipieren würde, edit 14.09 und einige Infos finde ich so nach und nach auf den Webseiten von Niu. Ich halte die Chinesen mittlerweile für zu großartigen Ingenieursleistungen befähigt, die werden sich da einen Kopf (vielleicht auch besser als ich) gemacht haben und hoffentlich mehr als einen Entwickler drangesetzt haben. Daher bitte gerade die letzten Teile des Textes entsprechend "locker" sehen, einiges kann auch anders in HW/SW gegossen worden sein, als ich jetzt annehme. Mich würden die unterschiedlich angezeigten Ladestände sicherlich ärgern, aber nicht sonderlich beunruhigen. Kriegt sich das Gesamtsystem nicht wieder in ein paar Wochen ein, dann würde ich vorsichtig einen möglichen Garantiefall anmelden, spätestens vor Ablauf der Gewährleistungsfrist (für die Akten, denn wenn der Akku zwei Monate nach Ablauf der Gewährleistung stirbt, dann habe ich es rechtzeitig angemeckert). Es könnte ja doch eine tote Zelle sein.
Edit: ich weiß, das ist ein etwas technischlastiger Beitrag geworden. Feedback würde mich interessieren, insbesondere Auffälligkeiten, die sich mit dem Modell nicht erklären lassen, damit es verbessert werden kann. Ich würde schon gerne die Funktionsweise des BMS und die Fehlerursache genauer ergründen wollen, um zu erfahren, ob die tatsächliche oder vermeintliche Drift der Akkupacks ein Problem darstellt.
Ich glaube noch nicht daran bzw. an einen zeitgleichen Zufall, dass eine Android-App Rückwirkung auf das BMS hat. Nach meinem Verständnis lese ich mit der App Informationen aus, konfiguriere aber hoffentlich nicht an Teilen des Rollers, die nicht für den User konfigurierbar sein sollten. Wenn es doch ginge: Hack your Niu.